„Eine Woche mehr EHRLICHKEIT“
„Eine Woche mehr EHRLICHKEIT“
Manche Studien sagen, dass wir bis zu 200mal am Tag lügen. Das ist erstaunlich. Es erschrickt sogar. Wenn so viel gelogen wird, wem kann ich da noch glauben? Wem kann ich vertrauen?
Jesus sagte in der Bergpredigt jedoch folgende Worte: „Wenn Ihr JA sagt, dann meint auch JA. Wenn ihr NEIN sagt, dann meint auch NEIN, sonst werdet ihr unehrlich“ (Mt 5,37). Wahrheit oder Lüge? Das ist eine ganz schöne Herausforderung.
Darum ist der vierte Fastenimpuls mit dem Worten überschrieben: „Eine Woche mehr EHRLICHKEIT!
Lied: „Selig seid ihr“
Für die Unterstufe:
Bilderbuch:
Thierry Robberecht, Estelee Meens: Eine dicke Lüge
Normalerweise bin ich ein richtiges Ass im Fußball. Aber heute Nachmittag, beim Spielen im Garten, kicke ich den Ball direkt ins Küchenfenster.
Die Fensterscheibe ist in tausend Stücke zerbrochen, und Papa kommt wütend aus dem Haus. „WAS IST HIER PASSIERT? Lucas, hast du die Scheiben kaputtgemacht?“
Papa ist so sauer, dass ich mich nicht getraue, ihm die Wahrheit zu sagen. „NEIN, das war ich nicht. Das war ELENA!“, sage ich und zeige auf meine kleine Schwester.
„Elena“; ruft Papa. „Schau, was du angerichtet hast! Für dich ist das Dessert für eine Woche gestrichen!“ „ICH HABE DOCH GAR NICHTS GEMACHT!“, verteidigt sich Elena. Aber Papa ist so wütend, dass er ihr nicht mehr zuhört.
Ich bin nicht gerade stolz auf mich, dass ich Elena die Schuld zugeschoben habe. Vor allem als es Zeit fürs Dessert ist, und Elena keines bekommt.
Mit dieser Lüge fühle ich mich gar nicht gut.
Als ich am Abend im Bett liege, kann ich nicht einschlafen. Seit ich gelogen habe, drückt etwas Schweres auf meinen Magen. Ist es vielleicht das Dessert? Immerhin habe ich nicht nur meine Portion, sondern auch die von Elena gegessen. Ich denke an meine Schwester, die ich zu Unrecht beschuldigt habe.
Am Morgen nach dem Aufwachen drückt noch immer dieses Gewicht auf meinen Magen.
Also ist es wohl nicht das Dessert … ES IST MEINE LÜGE. Sie ist so groß wie ein Elefant, und jetzt muss ich sie ständig mit mir herumtragen.
In der Schule sitzt der Elefant auf meinem Schoß, sodass ich gar nicht mehr nach vorn zur Lehrerin schauen kann. Beim Mittagessen nimmt er so viel Platz ein, dass ich nicht essen kann.
In der Pause sagt mir mein bester Freund Jeremy, dass ich heute extrem schlecht Fußball spiele. Glaubt er etwa, es sei einfach, mit einem Elefanten am Bein zu rennen? Ich habe nur noch einen Gedanken: DIESEN LÄSTIGEN ELEFANTEN LOSZUWERDEN.
Als ich ihn der Schultoilette zurücklassen will, sieht er aber so traurig aus, dass ich nicht das Herz habe, ihn die ganze Nacht alleine zu lassen. Also nehme ich ihn widerwillig auf den Arm.
Am Abend gibt es Elenas Lieblingsdessert: Mamas selbstgemachte Schokoladenmousse. Elena betrachtete es wie einen unerreichbaren Schatz. Sie ist so traurig, dass ich Papa gestehe, dass ich den Ball durch das Küchenfenster gekickt habe. In dem Moment, als ich Papa die Wahrheit erzählt habe, schrumpft der dicke Elefant und verschwindet. Obwohl ich von Papa ausgeschimpft werde, fühle ich mich leichter und besser.
Oje, jetzt hat Elena Bauchweh. Aber nicht, weil sie gelogen hat …. sondern weil sie schon zwei Portionen Schokoladenmousse gegessen hat.
Und der Elefant kommt auch nicht wieder.
Thierry Robberecht, Estelle Meens: Eine dicke Lüge, Baeschlin, Glarus (2021)
Gedanken
Es ist nicht immer leicht mit der Ehrlichkeit. Manchmal rutschen uns Lügen einfach so heraus. Wir denken gar nicht lange nach und schon passiert es.
Manchmal wollen wir auch eine Freundin oder einen Freund mit einer Notlüge schützen.
Und manchmal lügen wir ganz bewusst, um etwas zu vertuschen oder um selbst besser dazustehen.
Doch „Lügen haben kurze Beine“ sagt ein Sprichwort. Lügen können uns schwer auf dem Magen liegen und uns niederdrücken. Wenn wir dann auch noch Angst bekommen, dass eine Lüge entdeckt wird, können wir nicht mehr frei leben. Wir fürchten uns, dass andere uns nie mehr glauben werden.
Jesus rät uns, bei der Wahrheit zu bleiben, damit andere uns wirklich glauben und sich auf unsere Worte verlassen können. So werde ich vertrauenswürdig. Dann ist eine ehrliche Beziehung zwischen Menschen möglich.
Impuls
Versucht in dieser Woche ehrlich zu sein! Redet wahrhaftig, wenn ihr sprecht. Meint wirklich das, was ihr sagt. Wenn Ihr etwas nicht gut gemacht habt, dann steht dazu.
Seid dabei vorsichtig mit den anderen. Ich muss nämlich auch nicht jedem Menschen ehrlich meine Meinung um die Ohren schlagen. Ich kann nicht in jeder Situation alles sagen. Manchmal ist es auch besser, zu schweigen. Die Wahrheit soll nämlich immer an die Liebe gebunden sein.
Für Mittel- und Oberstufe
„Lügen haben kurze Beine“, behauptet Sprichwort. Wir haben gelernt, dass wir nicht lügen dürfen und sollen. Aber wie rasch sagen wir auch: „Eine kleine Notlüge ist doch in Ordnung!“
Scheinbar gibt es unterschiedliche Arten von Lügen. Schon vor über hundert Jahren hat die Schriftstellerin Maire von Ebner-Eschenbach in einer kurzen Erzählung deutlich gemacht, dass es eben nicht nur das eine oder andere, die Wahrheit oder die Lüge gibt:
Erzählung
Eines Tages schritt die Aufrichtigkeit durch die Welt und war sehr stolz auf sich:
„Was bin ich doch für eine beneidenswerte Person. Ich unterscheide zwischen gut und schlecht, ich mache niemandem etwas vor!“
Da begegnete die Aufrichtigkeit der Lüge. Sie war gekleidet in schillernden Gewändern und ihr folgten mehrere Personen. Mit Ekel und Entrüstung wandte sich die Aufrichtigkeit ab.
Die Lüge ging süßlich lächelnd weiter. Die Letzten ihres Gefolges aber, ein kleines, schwächliches Volk mit Kindergesichtchen, schlichen demütig und schüchtern vorbei und neigten sich bis zur Erde vor der Aufrichtigkeit.
„Wer seid ihr denn?”, fragte sie.
Eines nach dem anderen antwortete: „Ich bin die Lüge aus Rücksicht.”
„Ich bin die Lüge aus Pietät.”
„Ich bin die Lüge aus Barmherzigkeit.”
„Ich bin die Lüge aus Liebe”, sprach die vierte.
„Und diese Kleinsten von uns sind das Schweigen aus Höflichkeit, das Schweigen aus Respekt und das Schweigen aus Mitleid.”
Da schämte sich die Aufrichtigkeit und plötzlich kam sie sich doch etwas plump und brutal vor.
Marie von Ebner-Eschenbach (1830 – 1916)
Gedanken
Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit stehen an oberster Stelle. Lügen können uns nämlich das Leben schwer machen. Wenn wir dann auch noch Angst bekommen, dass eine Lüge entdeckt wird, können wir nicht mehr frei leben. Wir fürchten uns, dass andere uns nie mehr glauben werden.
Aber es gibt eben auch diese anderen Unwahrheiten und Lügen: die aus Pietät, aus Barmherzigkeit oder aus Liebe. Ich sage z.B. einem anderen nicht ungeschützt, was mich an ihm oder ihr stört, weil ich weiß, dass ich ihn oder sie damit verletzen könnte. Ich lüge dann irgendwie aus Rücksichtnahme. Ehrlichkeit darf nicht dazu führen, den anderen Menschen alles um die Ohren zu hauen, was mir nicht an ihm oder ihr gefällt. Wahrheit soll immer untrennbar mit Liebe verbunden sein.
Jesus rät uns, bei der Wahrheit zu bleiben, damit andere uns wirklich glauben und sich auf unsere Worte verlassen können. So werde ich vertrauenswürdig. Dann ist eine ehrliche Beziehung zwischen Menschen möglich.
Impuls
Versucht in dieser Woche ehrlich zu sein!
Redet wahrhaftig, wenn ihr sprecht! Meint wirklich das, was ihr sagt!
Wenn Ihr etwas nicht gut gemacht habt, dann steht dazu.
Und solltet Ihr eine Notlüge gebrauchen, fragt euch: Will ich nur mich selbst schützen oder den anderen Menschen, weil er oder sie mir ein Freund oder eine Freundin ist? Aber sei dir dann auch bewusst, dass du die Konsequenzen jeder Unehrlichkeit tragen wirst.
Für alle Jahrgänge
Gemeinsames Gebet
O komm, du Geist der Wahrheit,
und kehre bei uns ein,
verbreite Licht und Klarheit,
verbanne Trug und Schein.
Gieß aus dein heilig Feuer,
rühr Herz und Lippen an,
dass jeglicher Getreuer
den Herrn bekennen kann.
(Philipp Spitta; aus dem Lied: Komm du Geist der Wahrheit)
Vater unser Segen
Gott segne euch und behüte euch
Er gebe euch die Kraft,
euch selbst und der Wahrheit treu zu bleiben
Er lasse sein Angesicht leuchten über euch
und führe euch durch das Dickicht der Lügen hindurch,
ohne dass ihr euch darin verfangt.
Er erhebe sein Angesicht auf euch
und schenke euch allen seinen Frieden
der dort blüht, wo die Wahrheit nicht unterdrückt wird,
sondern die Ehrlichkeit geschätzt wird.
So segne euch der dreieinige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
(Quelle: https://dietrich-bonhoeffer-gemeinde-singen.de