Blog für die Seele – Palmsonntag

Die „Heilige Woche“ beginnt. Wir werden auch dieses Jahr Ostern feiern – anders als gewohnt. Stiller als sonst. Von nichts abgelenkt könnten wir die letzten Schritte des Menschen Jesus von Nazareth mitgehen.
Am Palmsonntag fängt es an – mit einem triumphalen Empfang eines populären Rabbis und Heilers in Jerusalem; einem Menschen, der für die einen Unterhaltungswert besitzt, der für die anderen ein Ärgernis ist, der für manche aber die große Hoffnung auf die Befreiung von aller Beklommenheit darstellt.
Damals lernten die Menschen, dass es doch ganz anders kommen wird. Nicht Jubel und lärmendes Feiern, sondern das gemeinsame Annehmen, Durchhalten und das stille Loslassen von festgelegten Plänen bereitet den Morgen für neues Leben. Doch dazu braucht es ein Ende, das am Palmsonntag den Anfang nimmt.
Und grüne Zweige lassen uns ahnen: Das Leben wird siegen!
(MB)
Erzählung zu Palmsonntag
Ich nenne sie Ruth, das kleine Mädchen.An dem Tag war es ein Hasten und Rufen, eine große, bewegte Volksmenge. „Wie immer vor dem Pascha,” hatte die Mutter gesagt, und „hoffentlich passiert nichts Schlimmes!” Ruth traute sich mit ihrem Vetter auf die Gasse, wurde bald vom Strom der Menschen mitgerissen auf die gepflasterte Straße, die hinauf zum Palast des Pilatus führte. Was für ein Gedränge, ein Rufen und Schreien! „Der Nazarener kommt, Jesus, der Mann aus Nazaret, der Prophet, der Sohn Davids!”
Zwischen den Großen hindurch hatte sich Ruth nach vorne durchgedrängt. „Da kommt er, der Zimmermannssohn, Jesus von Nazaret!”
Verwunderung, dass er auf einem Eselsfohlen sitzt, lachend und winkend. Ein Gruppe Männer um ihn herum mit flinken Augen, um den Rabbi zu schützen.
„Hosanna! Heil dir, Sohn Davids!”
Wie eine Welle braust der Ruf durch die Straßen der Stadt. Ruth bekommt von ihrem Vetter einen Ölzweig gereicht.
„Da, Jesus!” ruft sie, und reicht ihm den Zweig.
Der Rabbi nimmt ihn gerne an, berührt ihn sacht, auch mit den Lippen, und gibt ihn dem Mädchen zurück.
Ruth versteht! „Nein, ich werde dich nicht vergessen!” Jahre später erfährt Ruth, zur jungen Frau geworden, von „Nazaräern”, die sich auf Jesus berufen.
Sie fasst Mut und nähert sich ihrer Versammlung am Tag nach dem Sabbat, den Zweig in den Händen, der – seltsam! – über die Jahre nicht verwelkt ist. Ruth erzählt ihr Erlebnis von damals, sie bleibt und schweigt und hört:
Vom Gottesknecht, der diesen Weg gehen musste, den Weg nach Golgota, sein Kreuz tragend; dass er auferstanden ist und lebt; dass Gott ihn bestätigt hat als den Sohn Davids, als den Messias und Kyrios. Und jetzt ist er da inmitten der Seinen, da man das Brot bricht und den Wein trinkt zu seinem Gedächtnis.
Aus: Karlheinz May, Vom Duft der Auferstehung. Die vier Evangelien in Auszügen mit Meditationen, kommentierenden Texten und Zeichnungen. Im Eigenverlag (Holsteinstr. 1, D-51065 Köln)