Zeitzeugin berichtet von ihren Erlebnissen
Frida Raisman erzählte als Überlebende des Holocaust am vergangenen Donnerstag in der Bibliothek der Schule Schülerinnen und Schülern aus ihrem bewegten und bewegenden Leben. Kurze Zeit nach dem Überfall der Deutschen auf die Sowjetunion 1941 besetzten die Deutschen Minsk und ließen in der Stadt, die durch die
jüdische Kultur geprägt war, zwangsweise ein Ghetto errichten. Auf einem Raum von 1 mal 1 km drängen sich tausende Menschen ohne Kanalisation, fließend Wasser, Heizung und Essen. Unter diesen Bedingungen verbringt Frida Raisman zwei Jahre ihrer Kindheit. Die Siebenjährige erfährt Angst, Gewalt und den allgegenwärtigen Tod: Tod durch Erfrieren, durch Hunger und die Hand der Nazi-Schergen. Sie flieht vor ihnen und versteckt sich in den Hohlräumen unter Dielenbrettern. Die Erwachsenen, darunter ihre Mutter, legen heimlich Tunnelsysteme unter dem Stacheldrahtverhau an, der das Ghetto umgibt. Durch einen dieser Tunnel gelang ihr die Flucht. Ein bis heute unbekannter weißrussischer Bauer nimmt sie in Obhut und bringt sie in eine Pflegefamilie. Erst nach der Befreiung des Ghettos 1944 sieht sie ihre Eltern und ihre älteren Geschwister wieder. Ihr jüngerer Bruder bleibt bis heute verschollen. Erst mit neun Jahren wird sie eingeschult, durchläuft die Schule problemlos und möchte
Sprachwissenschaften studieren, doch der Zugang zu diesem Studium wird ihr, der Jüdin, verwehrt, ähnlich ergeht es ihrem späteren Ehemann, dem wegen seines jüdischen Glaubens der Zugang zum Konservatorium verwehrt wird. So erlebt sie nach dem NS- Terror den Antisemitismus der Sowjetunion. Erst nach dem Zusammenbruch des Kommunismus 1990 beginnt sie zu reisen, nach Israel, Kanada, Westeuropa und 1999 erstmals in das Land ihrer Peiniger, nach Deutschland. Dort hat sie mittlerweile Freunde gewonnen. Frau Raisman spürt auch, dass sich das Land und seine Menschen positiv verändert haben. Dennoch oder gerade deshalb sind Zeitzeugen wie Frida Raisman von großer Wichtigkeit, da sie authentisch, vor allem den Jugendlichen die Geschehnisse des NS-Terrors nahe bringen können, um sie zu sensibilisieren, damit Gewalt und Terror in diesem Land nie mehr Raum greifen.
Begleitet wurde Frida Raisman bei ihrem Besuch von Dr. Alexander Ladissow als Dolmetscher und Heinrich Georg Semmel, der als Historiker und ehemaliger Fortbildungsdezernent im Staatlichen Schulamt die Gäste in Deutschland betreut. Die Zeitzeugin ist Vorsitzende der Minsker Organisation der Überlebenden des Holocausts. Auf Einladung des Bundestagspräsidenten Herrn Lammert hatte sie am vergangenen Montag, den 27. Januar, zusammen mit anderen Überlebenden des NS-Terrors an der offiziellen Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag in Berlin teilgenommen. Auf Initiative des Internationalen Bildungs- und Begegnungswerkes in Dortmund ist sie nun in Schulen, Vereinen, Kirchengemeinden unterwegs, um über ihr Leben zu berichten. In seiner Begrüßung dankte Schulleiter Thomas Wolf Frida Raisman für ihren Besuch und ihrer Bereitschaft über ihre Erlebnisse zu berichten. An unserer Schule kam die 79-Jährige nicht nur mit Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 12 ins Gespräch sondern auch mit deren Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrern, Bürgermeister Friedhelm Engel, Br. Benedikt Haag ofm, P. Daniel Müssle ofm in seiner Eigenschaft als einer der drei Vorsitzenden der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Hanau e.V. und Anna Turré vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.. Alle, die diesen Nachmittag mit Frida Raisman verbringen durften, waren und sind von ihrer Persönlichkeit sehr beeindruckt, aber gleichseitig auch durch ihre Schilderungen tief erschüttert.